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Ausgabe 9/2024

IN-Nachrichten

Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub – vielleicht haben Sie ja für den Herbst einen Kurztrip geplant? Wir stellen uns die Frage, ob kurze Auszeiten vielleicht sogar mehr Regeneration bringen können als ein mehrwöchiger Urlaub. Außerdem im September: Fast jede/-r weiß, was (un)gesund ist – warum fällt es uns dann trotzdem so schwer, gesündere Gewohnheiten in unserem Alltag zu verankern? In diesem Monat geht es auch um die MobbingLine NRW bei der in den letzten Jahren immer mehr Anrufe eingegangen sind. Wir haben Elisa Dörpinghaus - M.Sc. Wirtschaftspsychologie und Beraterin für Gesundheitsmanagement im BGF-Institut - gefragt, wie Unternehmen Mobbing am Arbeitsplatz gezielt vorbeugen können. Ganz aktuell für Sie: Die Online-Seminare New Work der AOK Rheinland/Hamburg – darin dreht sich alles um Möglichkeiten und Herausforderungen in einer immer digitaler werdenden (Arbeits-)welt.

 

 

Kurzurlaube: Kleine Auszeiten mit großer Wirkung

Tipps für nachhaltige Erholung

Kurzurlaube sind eine beliebte Möglichkeit, um dem Alltag zu entfliehen und neue Energie zu tanken. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Kurzurlaube ausreichen, um das Stressniveau deutlich zu senken und das Wohlbefinden spürbar zu steigern. Doch wie nachhaltig sind diese Erholungseffekte und welche Faktoren spielen eine Rolle, damit ein Kurzurlaub wirklich erholsam ist? In diesem Artikel beleuchten wir die Effektivität von Kurzurlauben - vier Nächte oder mehr - und geben Tipps für eine erholungsförderliche Urlaubsgestaltung.

Auswirkungen eines Kurzurlaubs

Im Laufe des (Kurz-)Urlaubs steigen Wohlbefinden und Gesundheit, soziale Aktivitäten mit Freundinnen und Freunden oder Partnerinnen und Partnern nehmen zu, während Stresslevel und empfundene Belastungen sinken. Die Qualität der Erholung bei einem Kurzurlaub hängt zudem vom Grad der Aktivierung und von Erholungserfahrungen ab. Aktive physische sowie soziale Freizeitbeschäftigungen fördern Wohlbefinden und Gesundheit stärker als passive Tätigkeiten wie z.B. Fernsehen oder Lesen. Die Zufriedenheit und die Autonomie bei der Wahl der Freizeitgestaltung sind für den Erholungseffekt wichtig, weshalb persönliche Vorlieben berücksichtigt werden sollten.

Es hat sich gezeigt, dass das Abschalten von der Arbeit während des Urlaubs eine Schlüsselrolle spielt. Wer es schafft, sich mental vollständig von beruflichen Verpflichtungen zu lösen, profitiert stärker. Es ist daher hilfreich, während des Urlaubs möglichst keine arbeitsbezogenen E-Mails zu lesen oder Anrufe zu beantworten. Solche Aktivitäten können die Erholung beeinträchtigen und die positiven Effekte während und nach dem Urlaub verringern.

Effektivität von Kurzurlauben

Studien zeigen, dass der Erholungseffekt eines Urlaubs nach dessen Ende schnell nachlässt – spätestens sobald man wieder zur Erwerbsarbeit zurückkehrt. Aber: Kein Urlaub ist auch keine Lösung, denn das wirkt sich auf Dauer negativ auf die Gesundheit und das Wohlbefinden aus. Eine weitere interessante Information: Es gibt laut derzeitigem Forschungsstand keinen Unterschied zwischen der Nachhaltigkeit von Kurzurlauben und längeren Urlauben, denn auch der Post-Urlaubseffekt bei langen Urlauben verschwindet schnell wieder.

Hier punkten Kurzurlaube

Kurzurlaube haben trotzdem einige Vorteile. Der größte Pluspunkt eines Kurzurlaubs liegt in der kürzeren Abwesenheit vom Arbeitsplatz. Im Gegensatz zu längeren Urlauben staut sich in wenigen Tagen weniger Arbeit an, was den Stress bei der Rückkehr reduziert. Bei mehreren kurzen Abwesenheiten im Jahr genießen Beschäftigte zudem häufiger die Vorfreude auf bevorstehende Auszeiten, was psychisch sehr wohltuend sein kann.

Urlaubseffekte verlängern

Weiter können Strategien angewandt werden, um positive Effekte bei Wohlbefinden und Gesundheit nach Urlaubsende länger zu erhalten. Nach dem Urlaub ist es hilfreich, nicht sofort wieder in eine hohe Arbeitsbelastung einzusteigen. Kleinere Pausen im Alltag und angenehme Freizeitaktivitäten können dazu beitragen, die Erholung länger aufrechtzuerhalten. Außerdem kann es nützlich sein, Urlaubserlebnisse mit anderen zu teilen und aktiv Erinnerungen zu sammeln, um die positive Wirkung zu verlängern.

Mit unserem Seminar “Stressmanagement” können Sie Ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen, die positiven Effekte nach einem Urlaub länger zu erhalten und somit ihre Gesundheit zu stärken.

Auch wenn die Erholung nach einem Kurzurlaub schnell verfliegt, bleibt die kurzfristige Steigerung von Gesundheit und Wohlbefinden ein wichtiger Gewinn. Regelmäßige, gut geplante Kurzurlaube können eine sinnvolle Alternative zu langen, weiter auseinander liegenden Urlaubsphasen sein, um kontinuierlich von den Erholungseffekten zu profitieren.

Ihre Ansprechpartnerin im BGF-Institut
 

Elisa Dörpinghaus
M.Sc. Wirtschaftpsychologie
Beraterin Gesundheitsmanagement

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Caroline Papenfuß.

Quellen

Blank, C., Gatterer, K., Leichtfried, V., Pollhammer, D., Mair-Raggautz, M., Duschek, S., Humpeler, E., & Schobersberger, W. (2018). Short Vacation Improves Stress-Level and Well-Being in German-Speaking Middle-Managers—A Randomized Controlled Trial. International Journal of Environmental Research and Public Health, 15(1), 130. 

De Bloom, J., Geurts, S., Kompier, M. (2010). Vacation from work as prototypical recovery opportunity. Gedrag En Organisatie, 23(4).

De Bloom, J., Geurts, S., Kompier, M. (2011). Effects of Short Vacations, Vacation Activities and Experiences on Employee Health and Well-Being. Journal of Stress and Health, 28(4), 305–318.

De Bloom, J., Geurts, S., Kompier, M. a. J. (2012). Vacation (after-) effects on employee health and well-being, and the role of vacation activities, experiences and sleep. Journal of Happiness Studies, 14(2), 613–633.

Sonnentag, S., Venz, L., & Casper, A. (2017). Advances in recovery research: What have we learned? What should be done next? Journal of Occupational Health Psychology, 22(3), 365–380.

 

 

Gesundheitsförderliches Verhalten leicht gemacht

Den inneren Schweinehund überwinden

Gesundheitsförderliches Verhalten in den Alltag zu integrieren und langfristig beizubehalten, ist für viele Menschen eine Herausforderung. Ob es um gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung oder die Verbesserung der Schlafhygiene geht – der innere Schweinehund, der uns von diesen gesunden Entscheidungen abhält, ist oft der größte Gegner. Praktische Ansatzpunkte, um den Schweinehund zu überwinden und eine Verhaltensänderung zu erzielen, bietet das HAPA-Modell (Health Action Process Approach) von Ralf Schwarzer. Es hält einige spannende Erkenntnisse bereit. 

Das HAPA-Modell teilt den Prozess der Verhaltensänderung in zwei Phasen: die motivationale Phase und die volitionale Phase. In der motivationalen Phase entwickeln Menschen eine Absicht zur Verhaltensänderung, während die volitionale Phase die konkrete Planung und Umsetzung des Verhaltenswechsels umfasst.

Eine zentrale Erkenntnis des Modells ist, dass Motivation und die Absicht allein nicht ausreichen, um Verhaltensänderungen zu bewirken. Stattdessen betont das HAPA-Modell die Bedeutung der Selbstwirksamkeit und der detaillierten Handlungsplanung. Selbstwirksamkeit, also der Glaube an die eigene Fähigkeit, ein Verhalten zu ändern, spielt eine entscheidende Rolle in allen Phasen des Veränderungsprozesses. Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung sind erfolgreicher bei der Verhaltensänderung.
Eine weitere zentrale Erkenntnis ist, dass eine detaillierte Handlungsplanung und die Berücksichtigung von Hindernissen und Ressourcen genauso wichtig sind wie die Motivation selbst. Indem man konkrete Pläne macht – etwa festlegt, wann und wie das neue Verhalten in den Alltag integriert wird – steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man tatsächlich aktiv wird. Dies verdeutlicht, dass der Schlüssel zum Erfolg nicht nur im starken Willen, sondern zusätzlich auch in der präzisen Vorbereitung liegt.

Praktisches Beispiel: Verbesserung der Bewegungsgewohnheiten

Nehmen wir das Beispiel der Bewegung. Viele Menschen möchten aktiver werden, scheitern jedoch - aufgrund ihres hektischen Lebensstils oder auch wegen geringer Motivation, traditionelle Fitnessübungen in ihren Alltag einzubauen - oft an der Umsetzung. Wir schauen uns konkret an, wie das HAPA-Modell in diesem Fall angewendet werden kann:

  • Selbstwirksamkeit stärken: Beginnen Sie mit einer realistischen Zielsetzung, z.B. zweimal pro Woche 15 Minuten spazieren zu gehen. Der Glaube an Ihre Fähigkeit, diese Aktivität langfristig in Ihren Alltag zu integrieren, ist entscheidend. Stärken sie diese Überzeugung, indem Sie kleine Erfolge feiern, wie z.B. eine positive Stimmungsveränderung nach dem Spaziergang. Auch Fitness-Apps oder ein Tagebuch können dabei helfen, Ihre Fortschritte festzuhalten und Selbstzweifel zu reduzieren.
  • Detaillierte Handlungsplanung: Legen Sie konkret fest, wann und wo Sie spazieren gehen möchten, z.B. jeden Montag und Donnerstag nach der Arbeit im Park in der Nähe. Wählen Sie eine Route, die Sie anspricht, und machen Sie den Spaziergang zu einem festen Bestandteil Ihres Tagesablaufs. Identifizieren Sie mögliche Hindernisse wie schlechtes Wetter oder Zeitdruck und überlegen Sie im Voraus, wie Sie diese überwinden können, z.B. durch die Wahl einer wetterfesten Kleidung oder das Einplanen eines Zeitpuffers.

Für Unternehmen bietet das BGF-Institut spezialisierte Formate an, um das Gesundheitsverhalten von Mitarbeitenden zu fördern. Die Expertinnen und Experten aus dem Fachbereich Psychologie können Sie und Ihre Beschäftigten beispielsweise mit dem Seminar "Selbstführung“ gezielt unterstützen. Die Teilnehmenden lernen, im Hinblick auf ihre Ziele klare Prioritäten zu setzen, eine effiziente Zeitgestaltung zu praktizieren und mit persönlichen Herausforderungen umzugehen, so z.B. mit der Angewohnheit, To-dos aufzuschieben (Prokrastination). Sprechen Sie uns gerne an.

 
Elisa Dörpinghaus
M.Sc. Wirtschaftpsychologie
Beraterin Gesundheitsmanagement

Tel. +49 162 1079473
E-Mail: elisa.doerpinghausaEPsoiCvpS7uA5zuhBTuwnbgf-institutde

Quelle

Schwarzer, R. (2016). Health Action Process Approach (HAPA) as a theoretical framework to understand behavior change. Actualidades en Psicología, 30(121), 119–130. doi:10.15517/ap.v30i121.23458.

 

 

Immer mehr Anrufe bei der MobbingLine NRW

Ein Gespräch über Trends und Hintergründe mit Elisa Dörpinghaus, M.Sc. Wirtschaftspsychologie und Beraterin für Gesundheitsmanagement beim BGF-Institut

Das Interview führte Marco Filff, Referent Prävention und Veranstaltungen, BGF-Institut

Guten Tag, Frau Dörpinghaus, schön, dass wir heute über die neuesten Zahlen zur MobbingLine NRW sprechen können. Als Beraterin für Betriebliches Gesundheitsmanagement im BGF-Institut betreuen Sie und Ihr Team aus dem Fachbereich Psychologie die MobbingLine NRW und haben die Daten für 2023 ausgewertet. Doch bevor wir in die Ergebnisse eintauchen, könnten Sie uns bitte zunächst einen Überblick darüber geben, was die MobbingLine NRW ist und welche Rolle das Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung dabei spielt?

Elisa Dörpinghaus: Sehr gerne. Die MobbingLine NRW ist eine Hotline, die von Mobbing am Arbeitsplatz Betroffenen eine niederschwellige und professionelle Unterstützung bietet. Die MobbingLine ist eine Einrichtung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Die AOK Rheinland/Hamburg und das BGF-Institut betreuen die Hotline jeden Dienstag und bieten eine kostenlose und anonyme Beratung an.

Danke schön! Frau Dörpinghaus, ich glaube es ist hilfreich, wenn Sie uns zum Einstieg einmal zur Frage aufklären, was überhaupt unter Mobbing zu verstehen ist und was Ursachen dafür sein könnten.

ED: Das ist eine sehr gute Frage, weil es häufig auch jene ist, die die Anrufenden uns an der Hotline selbst stellen, um Ihre Situation einordnen zu können.

Mobbing wird als systematisches, feindseliges Verhalten unter Kolleginnen und Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten verstanden, bei dem eine unterlegene Person über einen längeren Zeitraum hinweg von einer oder mehreren Personen angegriffen wird. Natürlich ist nicht jede Streitigkeit Mobbing, aber ungelöste Konflikte können dazu führen.1 Es ist ein ernstes und weitverbreitetes Problem, das in Betrieben aller Art und jeder Größe vorkommt und erhebliche Auswirkungen auf die Betroffenen sowie die Arbeitsproduktivität hat. Dabei sind die Ursachen für Mobbing vielfältig. Auf der einen Seite können persönliche Motive wie Antipathie oder Neid eine Rolle spielen, aber auch unternehmensseitige Faktoren wie eine fehlende Gesprächskultur oder ein autoritärer Führungsstil sind nicht zu unterschätzen. Deshalb ist Mobbing auch im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) ein Thema.2

Das klingt nach einem relevanten Thema für die Arbeitswelt. Was sind denn die häufigsten gesundheitlichen Beschwerden, die in Zusammenhang mit Mobbing genannt werden?

ED: Schlafstörungen, Ermüdung und Magen-Darm-Probleme waren die häufigsten Beschwerden, die von den Betroffenen im Jahr 2023 bei uns angegeben wurden. Die Symptome unterstreichen die starken Auswirkungen von Mobbing auf die psychische und physische Gesundheit und möglicherweise eben auch auf die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeitenden.

Lassen Sie uns vielleicht als nächstes über die Anzahl der Anrufe bei MobbingLine NRW sprechen. Hier hat es besonders im Jahr 2023 einen starken Zuwachs gegeben. Haben Sie eine Erklärung dafür?

ED: Ja, der Anstieg der Anrufe ist wirklich bemerkenswert. Von 2019 bis 2023 haben sich die Anrufzahlen mehr als verdoppelt. Besonders auffällig ist der Sprung von 2022 auf 2023, da gab es einen Anstieg um fast 70%. Während die Zunahme der Anrufzahlen in den Jahren bis 2022 relativ moderat und gleichmäßig war, zeigt der Anstieg 2023 eine deutlich stärkere Dynamik. Die genauen Gründe dafür sind durch die vorliegenden Daten nicht feststellbar und beruhen lediglich auf Hypothesen. Verschiedene Faktoren könnten dazu beigetragen haben:

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Veränderungen wie Homeoffice und hybride Arbeitsmodelle brachten neue Herausforderungen mit sich, die zu Missverständnissen und Kommunikationsproblemen geführt haben könnten.3 Gleichzeitig könnte auch der umgekehrte Weg zurück in die Präsenzarbeit im Jahr 2023 Spannungen verursacht haben. Studien zeigen beispielsweise, dass die Rückkehr aus der sozialen Isolation für viele Menschen auch mit Angst und Unbehagen verbunden war.4,5 Inwiefern all das tatsächlich zu (wieder) aufkommenden Mobbingsituationen geführt hat, ist allerdings weiterhin unklar. Auch andere Erklärungen, wie beispielsweise ein erhöhter Bekanntheitsgrad des MobbingLine-Angebotes oder eine verstärkte gesellschaftliche Sensibilität für Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen durch Bewegungen wie #MeToo sind denkbar.6 Daher sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die genauen Ursachen für die Zunahme der Anrufe zu ermitteln.

Diese Entwicklungen sind wirklich interessant. Wer sind denn die Personen, die bei der MobbingLine anrufen? Gibt es bestimmte demografische Merkmale, die besonders auffallen und welche Erklärungen gibt es dafür?

ED: Der überwiegende Teil der Anrufenden ist weiblich, nämlich über 70%. Tatsächlich kann es sein, dass Frauen stärker von Mobbing am Arbeitsplatz betroffen sind.7 Andererseits sind Sie möglicherweise auch einfach stärker für solche Themen sensibilisiert oder weisen eine höhere Bereitschaft auf, psychologische Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.8

Ein weiteres interessantes Merkmal der Anrufenden ist, dass die Altersgruppe der über 50-Jährigen im Jahr 2023 am stärksten vertreten ist. Studien zeigen, dass in altersgemischten Teams häufig Konflikte aufgrund unterschiedlicher Arbeitsweisen bestehen. Vorurteile gegenüber älteren Kolleginnen und Kollegen, wie etwa mangelnde Flexibilität oder geringere Leistungsfähigkeit sind verbreitet. Altersdiskriminierung kann sich dann beispielsweise in geringeren Weiterbildungsmöglichkeiten oder mangelnder Einbindung in Veränderungsprozesse im Vergleich zu jüngeren Mitarbeitenden äußern. Das beeinträchtigt nachweislich die Teamdynamik, was wiederum das Mobbingrisiko erhöhen könnte.9

Gibt es Maßnahmen, die die Betroffenen schon ergriffen haben, bevor sie sich an die MobbingLine gewandt haben?

ED: Ja, viele der Betroffenen haben bereits Gespräche mit der Familie oder Freunden gesucht oder ein Tagebuch über die Vorfälle geführt. Einige haben auch schon versucht, die Abteilung oder die Stelle zu wechseln. Das zeigt, dass die Betroffenen aktiv nach Lösungen suchen und gezielte Unterstützung benötigen.

Und welche nächsten Schritte planen die Betroffenen nach dem Gespräch mit Ihnen, um der Mobbingsituation zu entkommen ?

ED: Ein entscheidender erster Schritt ist oft, sich jemandem anzuvertrauen und über die eigenen Gefühle zu sprechen. Das hilft den Betroffenen, sich verstanden und ernstgenommen zu fühlen. Unsere Beraterinnen und Berater bei der MobbingLine unterstützen die Anrufenden dabei, sich zu öffnen und erste Schritte in Richtung einer Lösung zu gehen. Dies geschieht behutsam und in einem vertrauensvollen Gesprächsrahmen. Wenn sich die Betroffenen bereit fühlen, helfen wir ihnen, das Problem klar einzugrenzen und mögliche Handlungsoptionen zu erarbeiten. Bei den meisten Fällen im Jahr 2023 ging es bei den nächsten Schritten z.B. um die Kontaktaufnahme zu ärztlichem bzw. psychotherapeutischem Fachpersonal oder um Gespräche mit Vorgesetzten. Es ist wichtig, dass die Betroffenen wissen, dass sie nicht allein sind und Unterstützung erhalten können.

Frau Dörpinghaus, die steigenden Anrufzahlen sind möglicherweise ein deutlicher Hinweis darauf, dass Handlungsbedarf besteht. Wie kann das BGF-Institut Unternehmen dabei unterstützen, eine positive Arbeitskultur zu fördern und Mobbing vorzubeugen?

ED: Da stimme ich Ihnen zu. Zuerst einmal kann der deutliche Anstieg der Anrufzahlen im Jahr 2023 als Anlass genommen werden, sich im Rahmen des BGM mit dem sozialen Miteinander im Unternehmen zu beschäftigen. Da bieten wir als BGF-Institut einige Möglichkeiten der Unterstützung an.

Eine offene und unterstützende Arbeitskultur beginnt aus meiner Sicht immer mit einer genauen Analyse der aktuellen Situation. Unsere Analysetools wie Befragungen oder Workshopformate erfassen nicht nur die strukturellen, sondern auch die zwischenmenschlichen Dynamiken im Unternehmen. Dies signalisiert den Mitarbeitenden, dass ihre Meinung zählt und kann ein Umfeld fördern, in welchem sie sich sicher fühlen, Probleme offen anzusprechen. Das sehe ich als wichtige Grundlage.

Außerdem bieten unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachbereich Psychologie speziell Unterstützung im Bereich Führung und Kommunikation an - auch in altersgemischten Teams. Hier geht es beispielsweise darum, Führungskräfte bei der Förderung einer positiven Arbeits- und Kommunikationskultur zu unterstützen oder frühzeitig zu erkennen, wenn Mitarbeitende besonders belastet sind.

All diese Maßnahmen können dazu beitragen, Mobbing am Arbeitsplatz vorzubeugen und ein gesundes, produktives Arbeitsumfeld zu schaffen. Prävention von Konfliktsituation wäre also unser erstes Ziel. 

Vielen Dank, Frau Dörpinghaus, für diese spannenden und wertvollen Einblicke.

ED: Danke, dass ich diese mit Ihnen teilen durfte. Betroffene können die Mobbingline NRW von Montag bis Donnerstag zwischen 16:00 und 20:00 Uhr unter 0211 8371911 erreichen. Dienstags wird die MobbingLine von den Beraterinnen und Beratern des BGF-Instituts betreut. Es ist wichtig, dass Betroffene wissen, dass sie nicht allein sind.
 

Quellen

1 KomNet. (n.d.). Dialog 8923. Kommunale Netzwerke NRW. Abgerufen am 23. Juli 2024, von www.komnet.nrw.de/_sitetools/dialog/8923

2 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, INQA-Geschäftsstelle (Hrsg.). (2011). Wenn aus Kollegen Feinde werden…; Der Ratgeber zum Umgang mit Mobbing (S. 7-8, 16–19).

3 Jenkins, J. G., Loraas, T. M., & Stanley, J. D. (2023). Auditors’ remote work experiences during the early days of the COVID-19 pandemic and implications going forward. Accounting Horizons, 1–13.

4 American Psychological Association. (2021). Stress in America: One year later, a new wave of pandemic health concerns.

5 Buheji, M., & Ahmed, D. (2021). Optimising constraints of ‘Cave Syndrome’: Fear of coming back to normality. International Journal of Management (IJM), 12(9), 84-92.

6 Shukla, S., Singh, P. P., & Garima. (2020). #MeToo movement: Influence of social media engagement on intention to control sexual harassment against women. Journal of Content, Community & Communication, 12(6), Amity School of Communication, Amity University, Madhya Pradesh.

7 Salin, D. (2021). Mobbing am Arbeitsplatz und Geschlecht: Ein Überblick über empirische Erkenntnisse. In P. D'Cruz, E. Noronha, C. Caponecchia, J. Escartín, D. Salin, & M. R. Tuckey (Hrsg.), Würde und Inklusion am Arbeitsplatz. Handbücher zu Mobbing, emotionalem Missbrauch und Belästigung am Arbeitsplatz (Bd. 3, S. 151–172). Springer.

8 Eggenberger, L., Fordschmid, C., Ludwig, C., Weber, S., Grub, J., Komlenac, N., & Walther, A. (2021). Men’s psychotherapy use, male role norms, and male-typical depression symptoms: Examining 716 men and women experiencing psychological distress. Behavioral Sciences, 11(6), 83.

9 Friedrichs, M., Jungmann, F., Liebermann, S., Lück, P., Schmidt, K.-H., Wegge, J., & Wolters, J. (2010). iga-Barometer 3. Welle 2010: Einschätzungen der Erwerbsbevölkerung zum Stellenwert der Arbeit, zum Gesundheitsverhalten, zum subjektiven Gesundheitszustand und zu der Zusammenarbeit in altersgemischten Teams. Initiative Gesundheit und Arbeit (S. 64-66, 92).

 

 

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